Alte Schätze neu gehegt
Projektgarten Veit in Beuren



Gemeinsam mit Prof. Dr. Jan Sneyd bauen wir in einem „Projektgarten“ als Versuchsanbau auf 5 Ar am Haldenhof in Beuren alte Getreide und Pseudocerealien an, u.a. folgende Arten, Sorten, Erhaltungssorten und Landsorten, sowie seltene Genotypen:

  • Schwäbischer Dickkopf-Landweizen
  • Richards Rotkornweizen
  • Aufspaltungen (Auskreuzungen) von Dickkopfweizen (begrannt, weiß)
  • Spontankreuzung Dickkopfweizen x Richards Rotkornweizen
  • Alte Dinkelsorten wie Schlegeldinkel aus dem Jahr 1920
  • Ur-Emmer (Weizen)
  • Einkorn (Weizen)
  • Ur-Rotkornweizen, begrannt
  • Binkel-Sortiment: begrannt und ohne Grannen, aus Italien, Schweiz, Tirol, Österreich und Deutschland, darunter Igel-Binkel Original, Gelber Igel, Tiroler Binkel, Binkel, Samtrot Ur-Binkel, Flecht-Binkel
  • „Megalith“-Weizen (von Frau Maria Thun)
  • Hartweizen (Triticum turgidum)
  • Polnischer Weizen (Triticum polononicum)
  • Waldstaudenroggen (2 Herkünfte)
  • Öko-Roggensorte Likoro
  • Seltener Weißkorn-Winterweizen (Dane)
  • „Wunderweizen“ (Sorte Petropavlo, langstrohig, hohe Qualität)
  • Sommerweizen, extrem kurz
  • Hochzuchtweizen
  • Sehr früh abreifende Nacktgerste Tirol (Landsorte)
  • Hafer aus dem Jahr 1831
  • Öllein (gelbkörnig und braunkörnig)
  • Schwarzhafer
  • Wunderweizen Sonne
  • Klimaweizen
  • Braunhirse
  • Gelbe, rote und blaue Lupinen
  • Späth Alblinse I
  • Lein Blaues Wunder


Ziele des Veit Projektgartens


Mit diesem „Projektgarten“ verfolgen wir zum einen das Ziel, die Anbautechnik für alte Sorten unter heutigen Bedingungen zu prüfen. Dazu gehört die Prüfung der Qualitäten und der Abreife des Korns. Dazu gehören auch Tests der Variabilität innerhalb der Getreidearten (sehr kurze, sehr lange, sehr frühe, begrannte, ohne Grannen). Des Weiteren bewerten wir die Eignung bestimmter alter Sorten auf eine weitere Vermehrung und spätere Verwendung in der Backstube und tragen damit auch zur Biodiversität bzw. zum Erhalt alter Sorten bei, da wir von allen angebauten Sorten kleine Mengen an die Genbank abgeben.

Im Projektgarten kann man u.a. den längsten Weizen, einen sibirischen Weizen der Sorte Petropavlo und den kürzesten Weizen vom CIMIT Institute aus den USA im Anbau bewundern. Dieser Anbau erfolgt zu Schauzwecken.

Im Freilichtmuseum Beuren gibt es übrigens auch ein Schaufeld mit Dickkopfweizen und Binkel sowie eine Dickkopfweizenausstellung im „Haus der Vielfalt“, das seit der Eröffnung in 2019 Teil des neuen Genuss- und Erlebniszentrums im Freilichtmuseum Beuren ist.


Waldstaudenroggen

Nach mehrjähriger Prüfung im Projektgarten des Bäckerhauses Veit (mit 3 Saatterminen im März, am 24.Juni (Johannistag) und im Spätherbst) von mehr als 12 Waldstaudenroggen-Herkünften aus Deutschland und Österreich wurden 8 davon als “typisch” und somit für eine kombinierte Grün-und Kornnutzung (Grün im 1.Saatjahr, Korn im 2. Jahr) als besonders geeignet eingestuft. Die 8-er Körnermischung wurde an die Genbank Gatersleben Ende 2022 abgegeben. Was ist eigentlich Waldstaudenroggen?

 

Waldstaudenroggen (Secale multicaule) wird öfters auch Johannisroggen, Ur-Roggen, Staudenkorn, Waldstaudenkorn (Österreich), Staudenrocken (Bezeichnung im 18 Jahrhundert) benannt. Diese uralte mehrjährige, perennierende, robuste und anspruchslose Roggenform ist seit Jahrhunderten in Europa bekannt. Sie wurde nicht nur für schmackhaftes, ballaststoffreiches, aromatisches und leicht süßliches Brot (aus der Ernte im 2. Anbaujahr) bekannt, sondern auch als schmackhafter Grünfutterlieferant ab dem 1. Anbaujahr (Waldweide für Schafe, Grünäsung für Wildtiere. Der Waldstaudenroggen bestockt auch danach sehr gut und verträgt sogar die Äsung im Winter und im zeitigen Frühjahr. Danach kann die Kornernte im Herbst wie üblich erfolgen. Besonders für die “Kombinutzung” (Grün + Korn) haben sich 8 geprüfte Herkünfte als geeignet gezeigt. Sie wurden deshalb gemischt und als breite Population an die Genbank abgegeben. So entstand die 4 kg-Probe Waldstaudenroggen Original Veit.


Binkel

Den Binkel, eine Ur-Weizenart, testen wir bereits seit mehreren Jahren im Projektgarten in verschiedenen Varietäten und haben 2018 beschlossen, den Versuchsanbau auf einer etwas größeren Fläche fortzuführen. Für den erweiterten Anbau fokussieren wir uns auf den „Samtrot Ur-Binkel“, der zwischenzeitlich als Ur-Weizenart in die „Rote Liste der gefährdeten Nutzpflanzen in Deutschland“ aufgenommen wurde und als Slow Food Arche-Passagier anerkannt ist. Lesen Sie gerne hier zu unserem neuesten Anbauprojekt in Beuren.

Öllein und Hirse

2016 fand in Mundingen, bei Landwirt Reinhold Schnizer, ein erster, größerer Anbau von Öllein und Hirse statt. Die Anbauergebnisse beim Lein waren ermutigend, so dass wir entschieden haben, den Vertragsanbau von Öllein bei zwei Landwirten in größerem Stil fortzusetzen. Das sind die Landwirte Bernd Schweiss in Grabenstetten und Gerhard Herrmann in Nellingen. Bei der Hirse haben wir aufgrund der Anbauergebnisse des Jahres 2016 entschieden, diesen Versuch nicht fortzuführen. Seit 2016 setzen wir Leinsamen aus eigenem Anbau ein, u.a. für das Fünfkornbrot. Seit Herbst 2017 wird das Fünfkornbrot und s’ Kleine Ur-Emmerle mit Goldlein aus eigenem Anbau gebacken. Zwischenzeitlich beziehen wir sowohl Braunlein als auch Goldlein von den beiden Landwirten aus der Region und decken unseren kompletten Leinsamenbedarf aus regionalem Anbau ab.









Der Projektgarten im Zyklus eines Jahres

Herbst


Der Projektgarten ist von Prof. Sneyd händisch neu angelegt, die Wintersaaten sind ausgebracht. Ein neuer Zyklus beginnt. In einem Sortenrad, einer Art Anbaukreis, wird getestet, wie der Binkel reagiert, wenn er unterschiedlich dicht angebaut wird. Ein Teil der Projektgartenfläche ist für die Sommersaaten reserviert, die im nächsten Frühjahr folgen.


Winter


Das Sortenrad, ein besonderer Anbautest für den Binkel, ist auch im Schnee noch gut zu erkennen. Die Pflanzen haben jetzt Winterruhe. Das Sortenrad erlaubt, neben der Beobachtung und Beurteilung der Gesundheit der Pflanzen, eine Bewertung der Standfestigkeit, Auswuchsfestigkeit, Winterfestigkeit, Bestockungsfähigkeit und Kornqualität bei reduzierter Düngung und mit Blick auf die Auswirkungen des Klimawandels.


Frühjahr


Die Sommersaaten werden ausgebracht. Im Frühjahr, insbesondere im Mai, brauchen die Pflanzen den Regen, um sich gut zu entwickeln. Der mannshohe Waldstaudenroggen steht in diesem Zeitraum schon prächtig da. Das rechte Bild zeigt den Waldstaudenroggen in der Blütephase.


Sommer


Der Projektgarten ist im Sommer eine einzige Freude: wogender, fast 2 Meter hoher Waldstaudenroggen als natürliche Begrenzung zum nächsten Feld, ca. 30 alte Sorten, eine uriger als die andere anzuschauen und mit der Sortenbezeichnung auf einem Schildchen händisch und liebevoll gekennzeichnet. Was Prof. Dr. Jan Sneyd hier für uns hegt und pflegt und austestet, ist etwas ganz Besonderes.