Binkel – eine 3000 Jahre alte Weizenart


Binkelweizen ist eine eigenständige, 3000 Jahre alte Brotweizenart aus der Gattung TRITICUM. Sie wird heute kaum noch angebaut. Binkelweizen wird auch Zwerg-, Berg- oder Pfahlbauweizen genannt, da uralte Körnerreste auch in den Pfahlbauten u.a. am Bodensee gefunden wurden. Die Echten, mit anderen Getreidearten nicht vermischten bzw. gekreuzten Binkelweizen wie z.B. die aus dem Genpool „Blauroter sammetiger Binkelweizen“ sind mittellang, winterfest und die Ähre mit den kleinen Körnern ist kurz und kompakt. Diese Kompaktähre, ob begrannt oder unbegrannt, ist ein wesentliches Merkmal aller Echten Binkelweizen. Ende 2019 wurde der Binkelweizen in die „Rote Liste der gefährdeten Nutzpflanzen in Deutschland“ aufgenommen. Anfang 2021 ist der Samtrot Ur-Binkel als Vertreter der echten Binkelweizen als Slow Food Arche-Passagier anerkannt worden.

In unserem Projektgarten in Beuren-Balzholz testen wir seit 6 Jahren mehrere gesammelte Binkel-Genotypen. Dabei hat sich herausgestellt, dass es zwei unterschiedliche Gruppen gibt: Neben den ECHTEN Binkelweizen, die hexaploid, mittellang, begrannt oder unbegrannt, mit kurzen kompakten Ähren und kleineren Körnern ausgestattet sind, gibt es sogenannte UNECHTE Binkelweizen, die bereits früher mit anderen Genotypen gekreuzt waren und deshalb nicht die typischen Binkel-Eigenschaften besitzen.

In unserem Vermehrungsprojekt werden ausschließlich die ECHTEN, unverzüchteten Binkelweizen eingesetzt. Dazu gehört der „SAMTROT Ur-Binkel“, der sich nach den ersten Vermehrungsjahren als geeignet herausgestellt hat und den wir auf größerer Fläche weiter anbauen. Mit ihm wird unser Brot „s’ Kleine B ... wie Binkel“ gebacken, das unser langjähriger Bäckermeister und Produktionsleiter Jürgen Lauxmann im Jahr 2020 über mehrere Monate hinweg entwickelt hat. Der Name „Samtrot“ stammt von „Blauroter sammetiger Binkelweizen“ und deutet auch schon die dunkle Farbe der Ähren an; die Ähren des Samtrot Ur-Binkel sind unbegrannt. Ein Antrag auf Anerkennung als Passagier der Arche des guten Geschmacks, und zwar für die „Echten Binkelweizen“, wurde vom Bäckerhaus Veit in Zusammenarbeit mit Prof. Sneyd 2020 bei der Slow Food Ache-Kommission eingereicht. Slow Food Deutschland hat den Binkelweizen im Februar 2021 als Arche-Passagier anerkannt. Der Weg bis hierher war nicht leicht. Im Jahr 2018 betrug die Anbaufläche vom Samtrot Ur-Binkel nur 180 Quadratmeter, die Erntemenge war sehr gering. 2019 wurde die Anbaufläche erweitert, die Erntemenge betrug 450 Kilogramm. 2020 konnten wir auf einer Anbaufläche von 0,8 Hektar bereits 2 Tonnen Binkelweizen ernten. Mit dieser größeren Erntemenge konnten weitere Backversuche in unserer Backstube in Bempflingen gemacht werden und ein allererster Verkauf des neuen Binkel-Brotes während EINER Woche im Oktober 2020 wurde möglich. Der Anbau 2020/2021 erfolgte bereits auf 1,2 Hektar bei zwei unserer langjährigen Vertragslandwirte, Martin Schnerring in Beuren-Balzholz und Bernd Huber in Bempflingen. In der Vegetationsperiode 2022/2023 konnten wir die Anbaufläche auf 3,0 Hektar steigern und konnten einen – klimatisch bedingt durchschnittlichen - Ernteertrag von 8 Tonnen einfahren. Im Anbaujahr 2023/2024 steigern wir die Fläche auf 3,5 Hektar bei den beiden Landwirten Martin Schnerring und Bernd Huber.

Weitere Echte Binkelweizen, wie der sehr schön anzuschauende, urige „Igel-Weizen“, der sehr lange Grannen besitzt, werden auch weiterhin zu Schauzwecken im Projektgarten angebaut, aber nicht für die größere Vermehrung weiterverfolgt. Unser Binkelweizen wurde in mehreren Varietäten und in unterschiedlichen Anbauweisen getestet, so auch in einem Sorten- oder Anbaurad. Mit dieser Anbauweise kann man die späteren Anbaueigenschaften im Bestand bei unterschiedlich dicht gesäten Reihen gut voraussagen. Diese Form der Prognose wird gerne bei neuen Sorten angewandt. Im Falle des Binkelweizen haben wir es mit einer uralten Weizenart zu tun, deren Anbaueigenschaften einfach nicht mehr bekannt waren. Der Anbau unseres Binkelweizen im Sortenrad ergab über mehrere Jahre hinweg, dass Binkel nicht für einen Intensivanbau geeignet ist, sondern für eine eher extensive Anbauweise. 2019 konnte unser Binkelfeld erstmals mit dem Mähdrescher geerntet werden.

Die Rettung einer alten Sorte im Sinne der Erhaltung der Biodiversität bzw. der Sortenvielfalt ist mühsam und braucht viel Geduld. Ganz wichtig ist dabei ein funktionierender Wertschöpfungskreislauf mit Prof. Sneyd als Züchter, unseren regionalen Vertragslandwirten für den Anbau, unseren Bäckern in der Backstube zum Verbacken des Binkelweizen und unseren Kunden als Konsumenten für das neue Binkel-Brot. Slow Food spricht gerne von „Essen, was man retten will“, und das passt aus unserer Sicht gut als Motto für diesen gesamten Kreislauf.

Samtrot Ur-Binkel (ohne Grannen)
Igel-Weizen (mit Grannen)
Prof. Sneyd, unser Experte für alte Getreidesorten



In regelmäßigen Abständen wollen wir Sie hier über die Fortschritte unseres Rekultivierungs- und Rettungsprojektes mit dem Binkel informieren.

September 2024

Bisheriger Rekord im Binkelanbauprojekt: die Erntemenge 2024 betrug bereits 5 Tonnen, trotz nass-kaltem Frühjahr und regnerischer Witterung bis in den Sommer hinein. Bei Landwirt Bernd Huber musste der Binkel nach der Ernte nachgetrocknet werden. Die Qualitäten aus dem Anbau beim Haldenhof in Beuren und bei Herrn Huber sind trotz schwieriger Witterungsverhältnisse zufriedenstellend. Die größere Erntemenge erlaubt es uns, ein Binkelbrötchen namens Binkelchen zusätzlich zum Binkelbrot s´Kleine B wie Binkel zu entwickeln und im Oktober in den Ursprünglich & regional – Wochen erstmals im Verkauf anzubieten.

Oktober 2023
Das Jahr 2023 war klimatisch ziemlich problematisch. Wir haben Extreme erlebt von zu viel Regen im Frühjahr bis zu großer Hitze im Sommer und sehr früher Ernte bzw. Abreife beim Binkelweizen. Die Qualität war dennoch gut, jedoch sind die Körner kleiner als sonst und der Ausputzanteil war sehr hoch. Erstaunt hat uns die Auswuchsfestigkeit beim Binkel trotz Lager.


Februar 2022

Ute Werner und das Drehteam vom Saarländischen Rundfunk haben die Vegetationsperiode des Binkelweizens im Jahr 2021 eng begleitet. So entstand über das gesamte Jahr ein ganz besonderer Film mit Prof. Sneyd, unserem Experten für den Echten Binkelweizen. Der Film mit dem Titel „Genuss mit Zukunft – Alblamm, Binkelweizen und Knorpelkirsche neu entdeckt“ wird am 19. Februar 2022 erstmalig im SR/SWR-Fernsehen ausgestrahlt.


Dreharbeiten mit dem Saarländischen Rundfunk
Ernte im Sommer 2021
Die Körner werden in Big Bags umgefüllt.

September 2021


Obwohl die Witterungsbedingungen 2021 nicht optimal waren, konnte der Samtrot Ur-Binkel seine Robustheit und Auswuchsfestigkeit sowie hohe Qualität unter Beweis stellen. Am Anbaustandort bei Landwirt Bernd Huber in Bempflingen hatten wir jedoch empfindliche Ausfälle durch Hagel im Juli, der Anbaustandort in Beuren kam glimpflich davon. Insgesamt konnten wir in diesem Jahr 2,5 Tonnen Binkelweizen (ungereinigt) ernten.

August 2020


Beim Samtrot Ur-Binkel hatten wir aufgrund der Vorjahreserfahrungen mit ca. 1 Tonne Erntemenge gerechnet. Welche Überraschung, als wir 2 Tonnen ernten konnten! Damit können wir das neue Binkel-Brot (s’ Kleine B … wie Binkel) öfter als geplant anbieten. Erstmalig wurde das Binkel-Brot im Oktober in den Ursprünglich & Regional-Wochen für eine Woche verkauft – das erste Binkel-Brot seit 100 Jahren! Der Samtrot Ur-Binkel wird bei den Landwirten Martin Schnerring am Haldenhof in Beuren-Balzholz und bei Familie Huber in Bempflingen für uns angebaut. Der weitaus größte Teil der Ernte geht in die Weitervermehrung dieser Ur-Weizenart. Die anderen Binkel-Varietäten, wie der „Igel-Weizen“, werden weiterhin in unserem Projektgarten zu Demonstrationszwecken angebaut.

Februar 2020


Ende 2019 haben wir die Information erhalten, dass der Binkelweizen als Ur-Weizenart in die „Rote Liste der gefährdeten Nutzpflanzen in Deutschland“ aufgenommen wird. Im Februar 2020 hat uns die Slow Food Arche-Kommission mitgeteilt, dass der Binkel als Slow Food Arche-Passagier aufgenommen werden wird, sobald Backwaren mit Binkel kontinuierlich verfügbar sind. Die Anerkennung als Arche-Passagier erfolgte im Februar 2021.

Juli 2019


Die Abreife des Getreides ist zügig vorangeschritten, so dass der Binkel am 26. Juli 2019 (von Hand!) geerntet werden konnte.


Binkelweizen im Projektgarten (vorne) und auf einer größeren Anbaufläche (hinten)
Binkelweizen (ohne Grannen)
Binkelweizen (mit Grannen)

Mai 2019


Nach dem trockenen April war der Mai sehr feucht.


Binkel-Sortenrad
Herbst- und Frühjahrsaussaat
Der Binkel steht in voller Blüte.

März 2019 – Das Frühjahr beginnt


Im Projektgarten erforschen wir die Anbaueigenschaften von Binkelweizen ...


... mit dem Sortenrad, um optimale Empfehlungen für die künftige Anbautechnik zu ermitteln.
... mit einem Vergleich der Herbstaussaat (links) mit der Frühjahrsaussaat (rechts), um die optimale Saatzeit der künftigen Großvermehrungen zu ermitteln.
... mit einem Ertragsversuch: Neben der Ertragsermittlung werden nach der Ernte auch die (bisher weitgehend unbekannten Backeigenschaften-) Qualitäten festgestellt.

Februar 2019 – Binkel im Winter


Noch ist es Winter und teilweise bitterkalt, alles schläft – wirklich alles? Nein, hier wächst bereits neues Leben heran. Aus einem Binkel-Korn wurde bereits ein Pflänzchen. Im Sommer wird das eine robuste Pflanze sein mit einem ganz besonderen Korn, dem Brotkorn unserer Vorfahren.

Die kleinen Pflänzchen liegen jetzt zwar noch unter dem Schnee, doch sie atmen, wachsen und bilden in diesen vermeintlich ruhigen und kalten Tagen die neuen Blütenanlagen in den frisch angelegten Ähren aus.

Der Kreislauf der Natur nimmt seinen Lauf, bis zur Ernte im Sommer.


Erntekranz mit Binkel aus der Ernte 2018